Dieser Artikel erschien zuerst am 19. Februar 2020. Da er besonders viele Leserinnen und Leser interessierte, veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle erneut.
Diesen Artikel könnt ihr euch auch anhören. Die Audio Story findet ihr unter dem Text.
„Menopause? Ich doch nicht!“ So oder so ähnlich reagierten ihre Freundinnen stets, wenn sie mit ihnen über die Wechseljahre spreche, sagt Peggy Reichelt. Gemeint sind die Lebensjahre einer Frau vor und nach ihrer letzten Regelblutung, meist liegt diese Phase zwischen dem 40. und 60. Geburtstag. Nach der letzten Blutung – der Menopause – ist keine Schwangerschaft mehr möglich.
Eine einschneidende Phase, die mit einer hormonellen Umstellung einhergeht und von jeder Frau durchlaufen wird. Und doch gilt sie hierzulande als Tabuthema. Bei der Periode, also der Regelblutung von Frauen, ist die Gesellschaft schon offener. Und die Wirtschaft auch: Es gibt zahlreiche Startups, die um die Periode herum Geschäftsmodelle entwickelt haben, etwamit Zyklustrackern, Ovulationstests und spezieller Unterwäsche. Femtech nennt sich diese Branche.
Nun kommt eine neue Generation von Femtech-Startups: Nämlich die, die sich an Frauen in den Wechseljahren richten. Dazu gehört auch Peggy Reichelts Firma Xbyx. Die 44-Jährige und ihre 28-jährige Co-Founderin Monique Leonhardt gründeten das Startup 2019 in Berlin, Anfang Februar dieses Jahres veröffentlichten sie ihre Website. Darüber verkaufen sie Nahrungsergänzungsmittel für Frauen in den Wechseljahren, etwa ein Vitamin- und Superfood-Pulver, das für „mehr Gelassenheit“ sorgen soll und eines, das die Lust auf Sex erhöhen soll – denn die schwindet bei einigen Frauen vor und nach der Menopause.
Rund 30 bis 35 Euro kosten die Dosen, in denen 90 Gramm Pulver für insgesamt 30 Portionen enthalten sind. Die Zielgruppe könne es sich leisten, sagt Reichelt: Xbyx richte sich an Frauen ab 40, die sehr auf ihren Körper achten. Der Vorteil dieser Kundinnen:„Die stehen voll im Leben, wissen was sie brauchen und haben schon Geld auf dem Konto“, sagt sie. „Eine geile Zielgruppe.“
Millionenfinanzierte Vorbilder aus den USA
Dass ihre Freundinnen so wenig offen für Gespräche über die Wechseljahre und so unwissend über das Thema waren, hätte sie auf die Idee gebracht, in diesem Bereich zu gründen, sagt Reichelt im Gespräch mit Gründerszene. Anfangs habe sie an ein Onlinemagazin gedacht, mit dem sie über die Menopause aufklären wollte. Doch das würde sich schlecht monetarisieren lassen, glaubte sie – vor allem, weil die Wechseljahre doch ein Nischenthema sind. Der Blick in die USA brachte sie dann auf die Idee mit den Supplements.
Dort sind schon mehrere Firmen in diesem Bereich gestartet, zum Beispiel Ritual aus Kalifornien, das Frauen in den Wechseljahren Vitaminpräparate im Abo verkauft und mit mehr als 40 Millionen Dollar finanziert ist. Die Plattform Rory, hinter der das millionenschwere Startup Ro steht, verkauft indes medizinische Produkte für die Menopause. Das Hormon Melatonin etwa soll in dieser Lebensphase bei Schlafstörungen helfen.
Reichelt will nicht in den Markt für Medizinprodukte einsteigen. Sie findet: Frauen sollten nicht sofort zu Hormonen greifen. „DieMenopause ist keine Krankheit, sondern eine normale Phase wie die Pubertät.“Bei Problemen wie Müdigkeit könne oft schon eine Ernährungsumstellung helfen – von fleisch- auf pflanzenbasiert. „Pflanzliche Lebensmittel wie Vollkornbrot, Nudeln, Kartoffeln, Reis und viel frisches Obst und Gemüse im Mittelpunkt“ empfiehlt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung für die Wechseljahre. Ihre Vitamin-Mischungen sollen Frauen beim gesunden Essen unterstützen, sagt Reichelt.Entwickelt hat sie die Pulver mit Ärztinnen, Gynäkologen und Ernährungswissenschaftlerinnen. Die Produktion erfolgt nach Angaben des Startups in zwei Betrieben in Deutschland.
Vorher CEO bei Ströer
Xbyx ist nicht Reichelts erste Gründung. Die studierte Ingenieurin mit MBA von der renommierten Universität St. Gallen baute Anfang der 2000er den Diätlebensmittel-Shop Amapur auf. Später war sie Teil der Gründungsteams hinter dem Tech-Magazin Giga.de, das 2014 von Ströer übernommen wurde.Der Konzern führte das Startup unter dem Namen Ströer Media Brands weiter und bündelte darunter etwa auch die Portale Kino.de und Familie.de. Reichelt blieb noch drei Jahre als CEO. Xbyx finanziere sie nun aus Ersparnissen aus dieser Zeit, sagt sie.
Heute bezeichnet sie ihre Arbeit bei Giga und Ströer als „Ausflug in die Tech-Welt“ – nun sei sie froh, mit Xbyx wieder „back to the roots“ zu sein. Noch steht sie mit ihrer Firma ganz am Anfang. Wie viele Kundinnen sie schon hat, verrät sie nicht. Nur so viel: Mehr als 2.000 Frauen hätten bislang den „Xbyx Check“ gemacht, den das Startup auf seiner Website anbietet. Nutzerinnen sollen damit herausfinden, was sie an ihrem Lebensstil für eine beschwerdefreie Menopause verändern sollten. In kostenlosen „Guides“ erfahren die User zudem, was sie bei Schlafstörungen und Hitzewallungen tun können. Und in Blogbeiträgen erklärt Reichelt Fakten über die Wechseljahre. Ganz hat sie ihre Idee für ein Menopausen-Magazin also nicht fallen lassen.
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